Leipzig Breaks Organization
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INTERVIEWS
2000/04 DJ Storm
geführt von Booga

2000/06 John B
geführt von Booga

2000/08 Rolex & Booga
mit freundlicher Genehmigung vom Klarofix Magazin

2000/11 Klute
geführt von Booga

2000/11 Kabuki
geführt von Zapotek

2001/01 Rob Playford
geführt von Booga

2001/11 DJ Storm
geführt von Booga, übersetzt von Sketch
Interview Rolex & Booga

Das Klarofix (Leipzig-Connewitzer Szeneblatt für Politik & Kultur) interviewte am 21.8.2000 Roli (Velocity Sounds) und Booga. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.


Roli (aka DJ Rolex) und Booga (aka Square 7) haben im Sommer 2000 auf Velocity Sounds ein Mixtape (auch als CD erhältlich) veröffentlicht. "Diamonds are forever" stellt seinen Erlös für Prozeßkosten und die Kampagne zur Rückgewinnung des öffentlichen Raumes zur Verfügung "und handelt davon, daß sich Musik und Politik nicht strikt voneinander trennen lassen und Verbindungen eingehen (sollen)." Beide stehen dafür den Spirit der Hardcore/Punk-Bewegung, selbst Freiräume zu schaffen und Solidarität zu leben, auf das Konzept Club zu übertragen. Wir sprachen mit Roli und Booga über Velocity Sounds (www.velocitysounds.de) die Drum'n'Bass-Seite www.breaks.org und den Stand von Clubszene und elektronischen Sounds in Leipzig.

Klarofix: Gibt es in Leipzig eine Clubszene? Oder gibt es nur Festivals und ein paar Innenstadtkneipen, die Sachen wie das Nachtcafé machen?

Rolex
Booga: Es gibt Clubs. Da zähle ich die Distillery dazu, das wiedereröffnete Velvet, die Conserve, das Kosmophon, den Keller von der Substanz, ...

Roli: Für mich gehören das Conne Island (ganz wichtig) dazu, b12 und natürlich das Zoro, also im weitesten Sinne, wobei das Zoro in Leipzig einer der ersten Clubs mit war, auch nicht zu vergessen Ilses Erika und die Eisdeale. Also es gibt Clubs.

B: Es gibt aber auch noch andere Clubs, aber ich weiß nicht über welchen Clubbegriff wir hier gerade diskutieren.

R: Es ist auch schwer zu definieren, was ein Club sein soll. Und das ist der erste Punkt bei Clubkultur.

Ein Club ist eine Tür, DJ oder Band, Musik, die einem immer gefällt, die also nie schlecht ist. Ein Ort, wo du drei Mal die Woche hingehst, weil du Leute triffst, die du magst.

R: Ich unterscheide zwischen einer Konzerthalle, was schon vom Raum her was größeres ist als ein Club. Clubs sind im Gegensatz dazu auch musikalisch anders bestückt. Das kann Disco sein, Drum’n’Bass, House und Techno. Es ist aber schon so, daß es heute ziemlich schwierig ist, einen Club aufzubauen und zu betreiben, so wie jetzt Conne Island, b12 oder Zoro funktionieren. Gleichzeitig ist es auch so, daß es ein Überangebot an Festivals gibt. Festivals und stark kommerzielle Veranstaltungen haben auf jeden Fall die Überhand.

Sind die vielen Clubs eine ideale Voraussetzungen auch eine Clubszene zu etablieren?

B: Meistens geht es doch gar nicht darum, etwas zu etablieren oder zu installieren. Eine homogene Clubszene gibt es gar nicht. Es gibt keine Absprachen zwischen Clubbesitzern und keine kulturelle Ausrichtung. Das wird alles nur von den Leuten bestimmt, die die Veranstaltungen in den Clubs machen.

R: Im Vergleich zu anderen Städten im Osten hat Leipzig viele Clubs. Dadurch, daß schon so viele Clubs da sind, versuchen die Leute, die da drin sind, Leute, die neu dazu kommen zu integrieren. Das ist für neue Leute, von außerhalb oder junge, ein Motivationsschub. Es ist also besser, in Leipzig in die Clubkultur reinzuwachsen oder dort etwas zu machen, als in Senftenberg oder Eisenhüttenstadt.

B: Ich sehe es nicht so, daß es eine Clubkultur gibt, weil alles absolut individuell von jedem Veranstaltungsort geprägt wird. Eine Clubszene würde ich an einer Musikrichtung festmachen oder an einer Subkultur. Dann könnte ich von mir aus von einer Clubszene reden, wo Leute hingehen, die sich einen Geschmack teilen. Aber es ist absolut heterogen und gibt nur sehr bedingt eine Ausrichtung, was Musik angeht.

Es gibt also Clubs aber keine Szene dazu?

B: Es gibt nur Veranstaltungsorte, wo man hingehen kann. Da gibt es Clubs, die haben eine wirkliche Clubpolitik und dann gibt es wieder Veranstaltungsorte, die haben gar keine Clubpolitik, d.h. dort werden die Veranstaltungen von Fremdveranstaltern gemacht. So läuft es im Kosmophon. Dort machen alle möglichen Crews Veranstaltungen von Dancehall über Reggae bis Drum’n’Bass und Acid Jazz. Da gibt es keinen roten Faden, den es übrigens nur bei sehr wenigen Clubs gibt.

Wie wichtig ist es für Euch, in welchen Clubs ihr auflegt?

R: Für mich ist vor allem wichtig, den Club Conne Island in der dortigen Konzerthalle zu betreiben. Als zweites ist es dann nicht so, daß es tausend Angebote gibt, die wir ablehnen können. Wir haben eigentlich Bock alles zu machen, wenn es in dem gewissen Rahmen ist. Es müssen also schon die Clubs sein, auf die wir Bock haben, weil sie einen - im weitesten Sinne - emanzipatorischen Anspruch haben.

B: Ich lege da auf, wo ich den persönlichen Kontakt zu den Leuten habe, die den Club machen oder mich einladen. Und wenn ich selbst den persönlichen Kontakt nicht habe, dann über Leute, die mich da hinempfehlen. Ich bin aber auch nicht in der Lage, zu sagen, ich könnte alles mögliche, was mir angeboten wird, ablehnen, weil ich nunmal jung bin und das Geld brauche. Aber Spaß beiseite: Im Ernstfall gehst du natürlich da hin, wo du denkst, daß es ein schöner Abend wird. Wo dich die Musik interessiert und du die Leute kennst, die das machen. Dann gibt es noch die andere Seite. Ich lege regelmäßig im Markt Neun auf. Das mache ich nicht aus Liebe zur Innenstadt, sondern weil die Leute, die dort arbeiten und seit Jahren das Konzept der Hintergrundmusik etabliert haben, mir die Möglichkeit geben, meine wichtigsten Festausgaben zu finanzieren. Das ist für mich genauso okay, wie ein Benefiz für die Grüne Hilfe (Rechtsberatung für DrogenkonsumentInnen) im Kosmophon am HonkyTonk-Abend.

Wie wichtig ist dabei die Beziehung zum Publikum? Gibt es in Leipzig überhaupt ein Publikum, das ihr liebt?

BoogaB: Natürlich. Wenn es das nicht gäbe, warum würdest du das machen? Du stellst dich doch nicht hin und zeigst einem auserwählten Publikum, daß du auch ein cooler Dude bist, weil du tolle Platten hast. Sondern du machst das, um den Leuten als DJ einen schönen Abend zu bereiten. Dazu kommt noch, daß es immer klasse ist, wenn du deine persönlichen Vorlieben für Musik mit anderen teilen kannst. Dann hast du als DJ auch die Funktion, die neuen Platten als Stückchen der Horizonterweiterung hinzuzufügen, denn die Leute kennen möglicherweise nicht alles, was du spielst. Es ist dann immer klasse, wenn die auch noch abgehen und tanzen.

R: Es war aber nicht immer so. In den Anfangsjahren von Jungle/Drum’n’Bass war es, der ich mit Dub und Reggae angefangen habe, so für mich: Ich war glücklich, mit Senatorsounds einen Club zu finden, wo ich überhaupt so etwas spielen konnte. Es gab einen Club der das ziemlich konstant betrieben hat. Das war das TRC unter der Leitung von Eiko. Er war der einzige in den Läden von Leipzig (u.a. Zündspule, Feinkost), der gesagt hat, ihr könnt hier Jungle oder Drum’n’Bass spielen. Damals waren noch nicht so viele Leute am Start. Also standest du immer da, hast deine Platten gespielt, weil du Freak warst. Die Tanzfläche war leer und ein paar Leute saßen an der Bar und haben gesagt, es nervt, weil die Gläser wackelten. Heute haben die Crews, Ulan Bator, Rotzlöffels, Head Shifters, Rollin Sounds, eine richtige Posse. Beispielsweise haben wir uns letztens freitags überlegt, am Samstag drauf eine Party zu machen. Full Contact (S.U.F.F.) und Dreas (Rollin’ Sounds) haben über Mundpropaganda und zwei Plakate fünfzig bis hundert Leute zusammengeholt. Das wäre früher nicht möglich gewesen.

Ihr träumt also nicht von weniger langweiligen Parties in Rio, New York, Tokyo?

R: Ich träume davon. Ich träume weltweit.

B: Tokyo wäre nicht schlecht. Aber die Parties hier sind nicht langweilig. Schlimmer ist, sich manchmal in Clubs wiederzufinden, wo es nicht den Draht gibt zwischen den Leuten vom Club und denen, die am Abend musikalisch was auf die Reihe bekommen sollen. Ein Beispiel für so ein ungünstiges Verhältnis ist das Kosmophon. Die haben mittlerweile mit sehr vielen Leuten zusammengearbeitet. Dadurch kannst du aber auch nicht mit einem stetigen Publikumszufluß rechnen. Leute, die dort aufgelegt haben, bekamen dann teilweise finanzielle Engpässe zu spüren, und es gab keine guten Absprachen. In der Beziehung könnte vieles besser laufen. Das liegt aber vielleicht auch daran, daß es keinen richtigen Club gibt.

R: Das Kosmophon hatte mit Eiko ein Veranstalter, der ziemlich fit ist, aber dort nicht die offenen Türen fand und schließlich rausgeflogen ist. Seitdem läuft der Club nicht mehr konstant, weil niemand die Fäden in der Hand hat. Die Besitzer haben ein ganz anderes Weltbild von Musik. Eher Eurodance und Rockcafé.

Nach welchen Kriterien richtet sich eigentlich das Conne Island bei der Entscheidung, wer auflegen darf?

R: Unser Konzept ist, dadurch daß wir im Conne Island eine große Halle sind und auch ziemlich weit außerhalb der Innenstadt liegen, weshalb wir kein Laufpublikum haben, DJs heranzuholen, die über den Tellerrand bekannt sind, sprich die englischen oder guten deutschen, damit die Leute genau zu den Veranstaltungen kommen. Dafür mußt du wirklich was großes präsentieren.

Also nicht wirklich das, was Ihr Euch unter Club vorstellt?

R: Doch. Es sind ja genau die, die in England und weltweit Clubkultur vertreten. Vielleicht hätte man schon ‘95 oder ‘96 anfangen können, eine eigene Conne Island Crowd aufzubauen, eine Jungle-, House- oder Technocrew, wie es z.B. im Kassablanca in Jena ziemlich gut funktioniert. Aber das war zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich. Wir hatten uns schon gefreut, daß wir Drum’n’Bass da etablieren konnten, in einem Hardcore/Punk-Laden. Dort sowas reinzubringen war absolut schwer. Auch um House und Techno gab es ewige Diskussionen.

B: Ihr hattet außer ein bis zwei Personen gar niemanden da, der sich richtig dafür interessiert hat. Sowas muß dann auch wachsen. Außerdem ist es kein Club in dem Sinne.

R: Dann kommt noch hinzu, daß es eine Konzerthalle ist und wir uns jeden Sonnabend hinstellen und probieren, daraus einen Club zu machen. Dann probieren wir auch immer über die DJs, wo drei- bis vierhundert Leute kommen, eine lokale Szene aufzubauen. Ob das gut ist, weiß man nicht. Denn meistens können die lokalen DJs nur zwei Stunden auflegen und kriegen auch noch halbwegs vorgesetzt was. Das ist natürlich nicht sehr animierend.

B: Du bist ein Spinner. Das stimmt so überhaupt nicht. Zunächst mal ist es absolut klasse, daß so viele Leute bei Drum’n’Bass die Möglichkeit kriegen, vorher aufzulegen. Das ist nicht nur eine Handvoll die da durchgegangen sind. Für die Leute war es ein absolutes Ereignis. Für jeden von uns. Du spielst vor vollem Haus und hast zum ersten Mal die Verantwortung, mindestens hundert Leute auf der Tanzfläche nicht verrecken zu lassen, sie weiter zu führen und wenn es nur eine halbe Stunde ist. Das Problem stellt sich also gar nicht so dar. Nur wünscht man sich, daß es zwischen den Monatsveranstaltungen auch mal ein Wochenende gibt, wo sowas auch mal hier passieren könnte. Dann merkst du, daß du immer noch unbekannt bist und es kommen nur 50 oder 100 Leute, aber immer zu wenige, um etwas zu finanzieren. Das ist frustrierend. Aber nicht, vor Krust aufzulegen oder vor Storm. Aber genau da zeigt sich das Problem, keinen Club zu haben, den die Leute als Veranstalter regelmäßig domestizieren können.

R: Ich sehe das zwar auch, aber gegenwärtig ziehen doch die Crews von Club zu Club und wollen eigentlich nur DJs sein. Das ist zumindest eine Unterstellung von mir, obwohl es heutzutage schwer ist, einen Club zu finden und den als Freiraum zu betreiben. Was bedeutete zu sagen, das ist jetzt unser Teil und hier stehen wir jeden Freitag. Aber mir kam es auch eine Zeit lang so vor, daß sich viele nicht wirklich darum gekümmert haben. Deswegen habe ich großen Respekt gegenüber allen Veranstaltern. Ein Eigenlob.

Wie seid ihr als Punker und Metaller überhaupt zu dieser Musik gekommen? Was habt ihr zuerst aufgelegt und warum?

R: Ich habe bis 19 Punk und noch mehr Metal gehört: Exploited, Trash- und Speedmetal, was etwas völlig neues und zu DDR-Zeiten anarchistisches war. Ich bin damals viel im Umland von Leipzig gewesen, auf Metal-discos mit Luftgitarre, ACDC, Metallica, Destruction, Sodom, Slayer, Obituary war auch eine ganz große Band und Kreator. Aber 89/90 hat mich das Nur-Saufen genervt, und es gab viele Nazis, die in die Clubs eindrangen. Das habe ich da zum ersten Mal bewußt mitbekommen. Zurück in Leipzig bin ich über die Leute um die Band DMB ins Conne Island gekommen. Dort war Hardcore das große Teil. 1995 hat das aber auch keinen Spaß gemacht, war wieder nur Saufen, Oberarme, hart Gitarre ... Ab da haben mich die ersten HipHop-, Dub- und Reggaesachen im Conne Island total begeistert. Über Neodub und Reggae bin ich dann zum Jungle gekommen von dort zu Drum’n’Bass und dann weiter zu House. Ab Jungle war es eine musikalische Weiterentwicklung. Ich wollte alles hören bis Soul und Jazz.

B: Richtig fetzige Musik habe ich erst gemacht, als ich bei El Cole Dosa gespielt habe. Das war meine erste Band. Eine echte Stümperband, Punk. Wir hatten drei Gigs. Dann habe ich noch in zwei anderen Bands Schlagzeug gespielt. Das war alles schön und gut, aber ich habe mich früher schon für die Sendung Maxis Maximal auf NDR 2 interessiert. Da kamen dieselben Stücke, die man schon kannte, in anderen Versionen. Das hat mich immer fasziniert, daß es neben den Standards auch noch andere Versionen gibt. Deswegen habe ich mich für Maxis interessiert, wo andere Versionen und Mixe drauf waren. Ich hatte in der Schule aufgelegt und hatte dann durch Bekannte die Möglichkeit, bei Igor im Sankt Petersburg (damals noch im Hansahof) aufzulegen. Der hatte eine kleine Mörderbuchte von Kneipe betrieben und unten im Rohbau aus Beton eine Anlage hingestellt, wo wir Prodigy gespielt haben und die ersten Drum’n’Bass-Scheiben, die ich mir bei Beeline Records in der Kochstraße, den Spock mit Cora S zusammen gemacht hat, gekauft hatte. Der Fixstern in Bezug auf Drum’n’Bass war für mich danach die erste Goldie-LP. Vorher fand ich auch die gebrochenen Sachen schon interessanter. Seitdem habe ich regelmäßig Drum’n’Bass-Sachen gekauft.

R: Was mich auch dazu bewogen hat, einen Musikstilwechsel zu betreiben war, daß es mich genervt hat, daß Linke oder Autonome immer nur Punk, Hardcore oder Ska gehört haben. Das bekomme ich auch heute bei jungen Leuten im Eiskellerumfeld mit, daß die ganz schwer für anderes offen sind. Wichtig war immer viel Gitarre, wohingegen Tanzmusik es allgemein schwer hatte, in solche Clubs reinzukommen.

B: Dazu muß ich auch sagen, daß man dir, Sebi und nicht zu vergessen, Sören Respekt zollen muß, für das, was im Eiskeller über eine ganz lange Zeit hinweg kontinuierlich an Aufbauarbeit geleistet wurde. Ohne euch drei wäre das nicht annähernd so gegangen. Jeder konnte sehen, wie Dub mit jedem Event, das der Eiskeller gemacht hat, groß geworden ist. Das hat gezeigt, daß mit der Begeisterung für Musik und dem Gefühl, daß könnte auch andere Leute anstecken, die Herzen für Musik zu öffnen sind. Obwohl am Anfang Veranstaltungen stattgefunden haben, wo man sagen kann, da geht der "wahre Drum’n’Bass" vor die Hunde. Kommerzacts wie General Levy und M-Beat. Trotzdem war das zu dem Zeitpunkt absolut richtig. Das war die Möglichkeit, Musik von oben nach unten zu etablieren.

Jetzt zu etwas ganz anderem, der neuen CD von Velocity Sounds "Diamonds are forever". Die CD bezieht sich laut Booklet auf die Überwachungskampagne. Warum?

R: Als wir die CD rausbringen wollten, war das gerade ein aktuelles Thema. Es gab die Demo am Connewitzer Kreuz, die aufgelöst wurde und dann ging es in der Innenstadt weiter. Da gab es Verhaftungen. Damals hatten mich schon viele Leute gefragt, ob es mal ein Mixtape geben könnte. Die eine und die andere Information kamen in meinem Kopf zusammen, und es gab die Idee, das zu verbinden: Ein Mixtape auch als CD zu einem fairen Preis zur Unterstützung für Prozeßkosten und die Kampagne. Das zu verbinden war wichtig, weil das Mixtape sonst ein kommerzielles Teil geworden wäre, mit dem irgendjemand sich ein bißchen Geld einspielt.

B: Es gab dazu die Überlegung, daß neben dem Geld, das ran muß, ein Mixtape eine gute Gelegenheit ist, ein breites Publikum zu erreichen. Nicht durch den Inhalt für das Benefiz, sondern durch die Musik, die in dem Fall der Aufhänger ist. Deshalb gibt es bei der CD / dem Tape auch zwei Seiten mit vollkommen unterschiedlicher Musikrichtung, was auf einem Mixtape definitiv nicht üblich ist. Hier wurde dagegen versucht, den einbeziehenden Faktor relativ groß zu halten, erstens durch die Musik, die Roli repräsentiert, durch die Musik, die ich repräsentiere und durch den Hintergrund, für den das gedacht ist. Möglicherweise werden also die Leute, die sich mit der Musik auseinandersetzen, durch das Booklet darauf aufmerksam gemacht, in welchem Zusammenhang wir das sehen.

Das ist doch eigentlich ein ganz klassisches Konzept, ein Benefiztape zu machen.

B: Die Diskussion ging ja vorhin schon darum, daß es schwierig sein könnte, einem Publikum Musik nahezubringen, das nach dem Klischee von der Linken nur auf Punk oder Reggae abfährt. Ich sehe speziell in Leipzig, daß die Zeiten sich gewandelt haben. Wenn man nur sieht, mit welcher Masse an Publikum im Eiskeller stetig zu rechnen ist. Der Eiskeller hat es durch seine Vorreiterrolle geschafft, Leute mit einer linken Einstellung für musikalische Bereiche zu sensibilisieren. Diese Leute nehmen das sehr, sehr gut auf. Sie mögen es und feiern es ab. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die die Musik mögen aber zum Konzept Eiskeller keinen Bezug haben. Die Idee von Roli und den Leuten, die auch dahinter stehen war, diese Leute darauf hinzuweisen, in welchem Zusammenhang die Leute stehen, die die Mixe präsentieren. Also nicht, daß die Leute, die CD / das Tape kaufen sich sofort damit identifizieren, sondern nur, daß es Teil der täglichen Wahrnehmung ist. Eine weitere Konfrontation steht dann als Angebot über Links. Wenn das dann sogar in der Kreuzerrezension aufgenommen wird, ist das genau in unserem Sinne.

Es wurde schon gesagt, der kommerzielle Aspekt bei Velocity Sounds steht im Hintergrund. Was ist demzufolge der Antrieb für das Label?

R: Eine Live-Umsetzung als DJ im Club reicht einfach nicht. Ich würde gern auch überregional bis weltweit was machen. Dazu brauchst du eine Plattform für die Umsetzung musikalischer Gedanken. Sowas aufzubauen ist wichtig, um aus dem Clinch, in dem man drinsteckt, aus der eigenen Stadt auch mal rauszukommen. Über so ein Label können auch die Sachen, die politisch in der Stadt ablaufen - und die Leute, die hier politisch was machen, sind da schon vorneweg - zu anderen Leuten, die in Subkulturen oder Clubs abhängen, getragen werden. Die politischen Sachen sollen über elektronische Clubmusik transportiert werden. Deshalb auch Velocity Sounds, weil es kein puristisches Label sein soll, das nur Drum’n’Bass oder House präsentiert. Es sollen verschiedene Formen der elektronischen Clubmusik dort Platz haben. Das Label steht jetzt erstmal da (bisher gibt es zwei Veröffentlichungen und eine Internetseite) und soll vielen Leuten die Möglichkeit geben, sich darüber zu präsentieren.

Euer erstes Projekt war mit den Full Speed Ahead-Remixen eher Crossover.

R: Über Hardcore/Punk ist eben auch ein Club wie das Conne Island entstanden, und die damaligen Gedanken haben den Club so gemacht, wie er ist. Nach der Öffnung des Clubs war es für uns der Versuch einer Verbindung zwischen Hardcore und Drum’n’Bass und Elektrosound. Das sollte ein Zeichen sein, daß die Sounds eine gleiche Richtung haben und es in der Beziehung keinen Unterschied gibt - trotz der ganzen Unterschiede.

Wie ist denn bis jetzt das Feedback auf das Label?

R: Viele Leute verstehen noch nicht, warum man so ein Label braucht. Und das Feedback ist bis jetzt nicht sehr positiv. Zur Zeit ist es noch so, daß ich viele Ideen habe und dann Leute ansprechen muß. Es ist also nicht so, daß tausende Tapes reingeflogen kommen.

Wie wichtig sind für das Feedback die Internetseiten, die ihr beide macht? Bringt das neue Kontakte?

B: Ich versuche mit www.breaks.org den Leuten, die Drum’n’Bass als DJs, Veranstalter oder Produzenten präsentieren, eine Plattform zu geben. Das nicht alleine, sondern möglichst mit Hilfe aller. Aus Liebe zur Musikrichtung an sich und mit der Absicht, sie zu promoten. Dazu gehört, die Leute kennenzulernen, die das auflegen, herstellen und veranstalten. Und ich möchte, daß die Daten von Ereignissen bekannt sind. Ich habe durch die Webseite - das ist echt ein Phänomen - sehr viele Leute erst kennen gelernt, von denen ich nicht weiß, ob ich sie sonst hätte kennenlernen können - obwohl die Angelegenheit sehr lokal funktioniert. Da, und nicht global, ist es die gute Kommunikationsform (mit einigen Desastern, die dazu gehören). Mittlerweile bin ich nicht der einzige, der seine Tracks auf die Seite stellt, es gibt Rezensionen, Charts, Dates, Gerüchte und Ereignisse, die in irgendeiner Weise was mit Leipzig und Drum’n’Bass zu tun haben. Die Kinderkrankheiten lagen in der Kommunikationsform selbst. Es ist unpersönlich, du weißt nie, wer steckt dahinter. Jeder probiert erstmal aus, sich zu verstecken, das Maskensystem und übles Dissen. Aber das erledigt sich auch nach einer Weile.

Wieviele Leute stehen jetzt hinter breaks.org? Gibt es eine Zusammenarbeiten mit anderen Institutionen wie dem Repertoire-Fanzine?

B: Die Leute vom Repertoire, mit denen es eine Zusammenarbeit gibt, sind stark an Drum’n’Bass interessierte Leute, die in Leipzig auch Veranstaltungen machen. Die Headshifterscrew (Zathras, Critical und Zapotek), Leute wie Francis und Cornelia Frederike Müller, das Auflegeteam Slowrapid. Repertoire ist ein zusammengefaltetes A4-Blatt, das monatlich mit den meisten Drum’n’Bass-Dates erscheint, dann noch aktuelle Kritiken zu Platten und Parties, außerdem noch Interviews mit Leuten. Das erscheint regelmäßig auf der Seite. Außerdem gibt es die Portäts von Leuten, die in Leipzig was mit Drum’n’Bass zu tun haben. Das sind: Zapotek, Francis, Windy, Cornelia Frederike Müller, Lexy, Championsound, Echolot und ich. Die Leute sollen auch aufzeigen können, was über den Namen, der auf dem Flyer ist, dahinter steht, um eine persönliche Ebene zu finden. Die Leute, die sich auf der Seite präsentieren, arbeiten auch an den Inhalten mit. Es geht darum, der Liebe zu Drum’n’Bass und den Veranstaltungen, die stattfinden, ein Forum in Leipzig zu geben, damit Leute, die sich auch noch dafür interessieren dazu kommen. Inzwischen bekomme ich Mails von Leuten, die gerade nach Leipzig gekommen sind und sagen: "Ich interessiere mich auch dafür, lege schon eine Weile auf und schicke dir mal ein Mixtape." Das wir jetzt auch ins Netz gestellt. Da kann Internet schnell, verbindlich und auch persönlich etwas zustande bringen.

Das klingt als funktioniert es, wie ein lokales Fanzine?

B: Stimmt, aber der Vorteil ist, es passiert fast wie das Leben selbst. Es gibt keinen Reaktionsschluß, der Input kommt von den Leuten, wenn die selber soweit sind, und du mußt nicht auf irgendwas warten. Die einzige Aufgabe in meiner Funktion als Webadmin besteht darin, die Inhalte ins Netz zu stellen, den Leuten die Ressource zu geben. Das ist dann schon alles.

Ist damit ein neuer sozialer Raum entstanden?

B: Dafür ist es nur ein erster Schritt. Es gibt auch klassische Mißverständnisse. Wenn ich mich z.B. über das message board unterhalte, kann das inhaltlich sehr tief sein, ich mich aber mit dem Menschen dazu trotzdem aus irgendeinem Grund ziemlich in der Wolle haben, weil du manchmal einfach einen Tonfall nicht verstanden hast. Aber es ist eine gute Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, weil es Raum und Zeit ungebunden ist. Dann kommt es darauf an, es in einen Rahmen zu bringen, der es wieder auf die Füsse stellt.

Eure Internetseiten sehen sehr unterschiedlich aus, gibt es überhaupt ein corporated design von Drum’n’Bass?

B: Es gibt innerhalb von Drum’n’Bass ganz unterschiedliche Spielarten und die sehen auch ganz anders aus. Es gibt Jungle, wo die Ragga Roots oder Dancehall noch drin sind. Das kannst du bei der Ulan Bator Posse sehen, wenn die Flyer machen. Das kann man ganz eindeutig zuordnen. Es gibt Drum’n’Bass-Label, die stellen sich absolut technisch dar, so richtig SciFi. Aber das ist unterschiedlich und es gibt wirklich nichts, von dem sich sagen läßt, das ist ein Muß.

Noch eine ganz wichtige Frage: Ist Drum’n’Bass überhaupt rebellisch?

R: Vom Sound her auf alle Fälle. Rebellisch ...?

B: Klar ist Drum’n’Bass rebellisch. Überleg da nicht so lange!

Gibt es denn große Ideen für die Drum’n’Bass für Euch steht?

B: Drum’n’Bass hat den Vorteil, daß es ein zu Hause bietet. Aber es ist ein unbekanntes Land, wo es immer wieder Entdeckungen gibt. Es gibt keine feste Landkarte. Es wird ständig daran gearbeitet, festzustellen, was alles noch dazu gehört. Das ist für mich viel, viel lebendiger als die meisten Musikrichtungen, die es sonst noch gibt. Es gibt Leute, die Drum’n’Bass machen, die darüber hinaus so vielseitig sind, daß man denkt, wo sind die bloß zu Hause. Das hat damit zu tun, daß diese Musik auf breaks funktioniert, also nicht auf einer geraden Musik. So wie HipHop entstanden ist, Breaks an einander zu reihen, oder auch Breakbeat, so ähnlich ist als musikalisches Konzept auch Drum’n’Bass nur mit einem anderen Tempo. Es geht nicht um 4/4-Takt oder einen Takt an sich, sondern in Bewegung zu sein, als Lebensgefühl. Diese Musik hat einen explorativen und einen stark integrativen Charakter. Deshalb ist sie absolut wegweisend.

R: Ich will nicht sagen, daß Drum’n’Bass das alleinige Ding ist. Für mich sind auch HipHop- oder Houseclubveranstaltungen ziemlich gut. Es fällt mir schwer zuzustimmen, daß Drum’n’Bass rebellisch ist.

Was ist für Euch das wertvollste an Musik?

B: Das kann alle Satzzeichen annehmen und noch viel, viel mehr. Sie kann etwas unterstreichen, hervorrufen, du kannst dich ihr öffnen. Ich rede von Musik, die mich begeistert, denn es gibt auch welche, die mich absolut kalt läßt, gar nicht interessiert oder wo ich nur lachen kann.

R: Mit Musik kann man total viele Leute erreichen, genauso wie man mit Fußball viele Leute erreichen kann, um gemeinsam mit denen, die politisch einen Konsens haben oder dein Umfeld sind, eine gute Zeit zu haben. Zum anderen aber auch, um damit etwas zu übermitteln. Beim Roten Stern sind viele Leute aus dem Fußballumfeld in unsere Szene integriert worden, die sonst nie hierher gekommen wären. Genauso sehe ich das auch mit Musik. Ich will mit Musik auch andere Stile von Party-haben präsentieren. Nach Punk/Hardcore war es für mich wichtig Jungle/Dub/Neodub zu spielen, damit die Leute fragen, was hat das bei uns zu suchen. Darüber war Auseinandersetzung überhaupt erst möglich.

B: Ich glaube nicht, daß sich Musik, wie auch schon bei dem Mixtape gesagt, von Politik vereinnahmen läßt. Aber wenn deine Aufnahmefähigkeit für Musik möglichst groß ist, könnte es auch sein, daß du ein toleranter Mensch bist - auch wenn das hippiemäßig klingen mag. Wenn du in einem Club wie dem Conne Island alle möglichen Arten von Musik offerieren kannst, kann die Sache hinterher nur gut sein. Wenn ich die Wahl meiner Waffen immer mehr einschränke, bin ich auch nur ein Einäugiger. Das sagt etwas über meine Lebenseinstellung, möglicherweise auch politisch und moralisch was aus. Das wichtigste an Musik ist Vielfalt - definitiv.

Wie würdet Ihr Euer Dasein als Kulturaktivisten in ungefähr drei Worten zusammenfassen?

B: Music is my life.

R: Clubs sind wichtig. Und die Arbeit im Club Conne Island, wobei es vielleicht auch ganz gut wäre, mal zu wechseln und außerhalb des Conne Islands was aufzubauen. An erster Stelle sehe ich mich eben als Veranstalter und nicht als DJ.

Seid Ihr für Euch selbst also Freaks?

R: Ich, ja.

B: Was ist denn ein Freak bitte?

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