Leipzig Breaks Organization
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INTERVIEWS
2000/04 DJ Storm
geführt von Booga

2000/06 John B
geführt von Booga

2000/08 Rolex & Booga
mit freundlicher Genehmigung vom Klarofix Magazin

2000/11 Klute
geführt von Booga

2000/11 Kabuki
geführt von Zapotek

2001/01 Rob Playford
geführt von Booga

2001/11 DJ Storm
geführt von Booga, übersetzt von Sketch
Interview Klute

Das Interview entstand im November 2000 im Rahmen der Skunkrock Tour, die auch in das Conne Island führte. Bei einer exklusiv Session für das Netradio contour.net interviewte Booga einen freundlichen aber etwas müden Klute.

Booga: Paradox wählte für sein gerade erscheinendes Album den Titel "Musician as an Outsider". Würdest du sagen, dass dieser Titel auch für dich in einer gewissen Art und Weise zutrifft?

Klute
Klute: Mmmh, ich würde sagen, das liegt nicht so fern. Ich mag aber diesen Titel, den er gewählt hat. Ich denke, dass ich auch ein Außenseiter bin, das meine ich jetzt nicht vorrangig bezogen auf Drum&Bass, sondern allgemein, in allem was ich tue.

Was sind die Hintergründe für ein solches Statement von dir?

Weißt du, einfach mein Leben, was ich bisher getan habe. Wie ich aufgewachsen bin, die Musik, die ich gemacht habe und mache, das alles halt. Als ich noch Punkrock gemacht habe, stand ich auch schon immer etwas außerhalb der gängigen Klischees und Regeln. Das ist einfach so, weil ich versuche, mein eigenes Ding zu machen.

Also ist "Musician as an Outsider" auch als ein Statement gegen den populären Zeitgeist innerhalb des Drum & Bass zu sehen?

Wahrscheinlich, ich denke, das wollte Paradox damit sagen. Vielleicht wollte er auf diese Weise ausdrücken, dass er separiert ist von diesem etablierten Drum & Bass - Ding. Ich bin da ähnlicher Ansicht.

Das Label, das deine Platten rausbringt, nennt sich Certificate 18. Soll dies suggerieren, dass ihr die Erwachsenen innerhalb der Szene seid?

Der Typ, der das Label führt (Paul Arnold), macht das jetzt schon seit 1991. Und als er damals anfing, war es für ihn eher so eine Art Bad Boy-Ding. In England werden normalerweise Filme mit so einem Vermerk gezeichnet, um hinzuweisen, dass der Film nicht unter 18 erlaubt ist.

Spielt dieses Bad-Boy-Image heute noch eine Rolle für Certificate 18?

Ich denke einfach mal, das ist ein guter Name. Ich bin nun schon so viele Jahre mit dem Label verbunden und habe mir nie die Gedanken wegen dem Sinn hinter dem Namen gemacht. Aber irgendwie ist es auch wieder erklärbar. Stell dir einen 12-jährigen vor, der einen "Certificate 18"–Film irgendwo rumstehen sieht. Es ist für ihn etwas exclusives und erstrebenswertes, na gut ich habe mit 12 und 13 auch schon solche Filme gesehen...

Also steht Certificate 18 für eine höhere Ebene?

Das denke ich nicht. Andere Leute denken vielleicht so. Aber ich weiß nicht. Nimm halt Paradox mit „Musician as an Outsider“. Es ist so, wenn du etwas machst, was neue Richtungen verfolgt, dann wird es meist als intellektuell oder als zu intelligent bezeichnet. Für mich ist das totaler Quatsch, aber die meisten Leute versuchen immer zu verallgemeinern. Wenn es für sie nicht so einfach und offensichtlich ist, dann heißt es gleich, es sei für intelligente Leute gemacht, mit was ich natürlich nicht einverstanden bin, denn zum Beispiel der Typ, der das Label führt, ist ziemlich unterbelichtet...

Was?

War ein Spaß.

Vielleicht ist das auch schon die Antwort auf meine nächste Frage, nämlich was die Produzenten und Artists bei Certificate 18 vom Rest unterscheidet.

Ich kann nur für mich selbst reden. Und ich bin schon ein bisschen eigen, aber das bin eben ich. Ich bin immer misstrauisch gegenüber Crews oder Possen, die ein Statement abliefern in der Art: Ja, wir sind dies. Ja, wir sind das. Schlussendlich verlasse ich mich lieber auf mich selbst. Und meine Freunde. Aber nicht auf irgendwelche Crews. Verstehst du, was ich damit sagen will.

Ja, natürlich. Aber kommen wir mal zu deinem neuen Album. Wie würdest du die Entwicklung von "Casual Bodies" zu deiner neuen LP "Fear of People" beschreiben. Hat sich zum Beispiel der Produktionsstil geändert oder sind andere Dinge in den Vordergrund gerückt?

Den Produktionsstil habe ich nicht großartig geändert. Ich habe beide Alben auf fast dem selben Equipment produziert. Das zweite Album ist aber relaxter unter dem Gesichtspunkt, dass es die Musik ist, die ich wirklich machen will und ich mich persönlich besser in die Musik eingebracht habe. Der Produktionsstil hat sich sowieso mit der Zeit verbessert, ich habe mir mehr Wissen im Umgang mit dem Equipment aneignen können.

Dein Track "Phone Call" war für mich wie ein Schuß ins Schwarze. Gerade in dieser Zeit, denn es ist abseits des üblichen Weges. Denkst du, dass Downtempo-Musik ein ernsthafter Ansatz ist, um sich wieder über die originalen Breakbeats Gedanken zu machen?

Ich weiß nicht so recht ...

Ich denke an Leute wie zum Beispiel Photek und Hidden Agenda, die sich nicht auf ausgetretenen Pfaden bewegen. Ich finde das wichtig, da sie den Sound wieder neu beleben.

Ich denke, worum es geht, ist einfach mal zu realisieren, worum es sich alles dreht. Es geht alles um dein eigenes Leben. Und es geht darum zu realisieren, dass es ein Leben fernab konstruierter Schemen gibt, auch im Drum & Bass. Es hilft dir ungemein, andere Styles auszuprobieren, mit Downtempo zu experimentieren oder andere Sachen zu machen. So erlebst du Dinge außerhalb deines bisherigen Blickfeldes und der üblichen Routine. So sehe ich das für mich. Ich denke, Musik ist Musik. Und Drum & Bass ist Musik und ich denke, es schadet der Musik, wenn Leute an bestimmten Sachen festkleben, denn schlussendlich dreht sich alles darum, sich persönlich auszudrücken.

Du zeigst uns also ein paar andere Schattierungen?

Ich nenne es einfach nur Musik. Das ist das, was ich tue. Und davon wollte ich mehr in meinem Album machen. Und die Tracks auf dem Album, die man nicht Drum & Bass zuordnen kann, würde ich deswegen auch nicht in irgendwelche anderen Kategorien stecken. Andere Leute machen das zwar, aber was soll’s. Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, Drum & Bass zu produzieren, als dass ich darauf aus bin, anderen Szenen oder Genren zu folgen.

KluteUnd denkst du, dass wir in der nächsten Zeit mehr Material von dir oder anderen Produzenten hören werden, das verstärkt in diese musikalischere Richtung geht?

Ja, ich denke schon, dass mehr und mehr Leute in diese Richtung tendieren. Entweder haben sie es satt oder es sind vielleicht Leute dabei, die einfach produzieren, was ihnen gefällt ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob das jetzt „anders“ klingt. Und ich denke, so hat auch Photek sein Album produziert. Er hat einfach die Platte gemacht, die er machen wollte, anstatt ein reines Drum & Bass-Album zu veröffentlichen.

Welche Erfahrungen hast du im Hinblick auf die Erwartungshaltungen des Publikums während solch einer DJ-Tour gemacht?

Wenn man es mal so sieht, spielt doch fast jeder, der Drum & Bass auflegt, auf die selbe Art und Weise. Das ist zwar eine verdammte starke Verallgemeinerung, aber am Ende mixt doch jeder eine Platte in die andere. Und ich behaupte mal, wenn du die Crowd fragst, was sie will, dann wirst in 99 von 100 Fällen merken, dass sie wollen, dass du harte Platten spielst.

Gut dann frage ich anders: Gibt es spezielle Erwartungen des Publikums, die du nicht in dem Rahmen erfüllen würdest?

Ich habe nichts dagegen, hart aufzulegen. Ich mag lautere Sachen, du weißt ja, dass ich einen Punk-Background habe. Ich mag es einfach, eine große Bandbreite zu präsentieren. Abwechslung kann oft besondere Stimmungen erzeugen. Nach einem soften Tune einen Hard-Smasher zu spielen oder andersrum kann eine ganz schöne Wirkung erzielen. Für manche Leute ist das dann trotzdem immer noch nicht offensichtlich genug, und du merkst ihnen an, dass sie nicht wissen, was sie tun sollen. Ich denke, dass ist genau die Sache, die mit den meisten Produktionen heutzutage passiert. Es ist einfach alles viel zu offensichtlich für die Tanzfläche produziert. Die Produzenten wissen halt, dass die Leute bei irgendwelchen krassen Basslines voll ausflippen. Mir wäre es lieber, wenn auch die Musik für den Dancefloor wieder mehr an Tiefe dazugewinnen würde.

Würdest du als DJ das Risiko eingehen zu versuchen, die Leute auf eine Reise mit deinem Set zu nehmen?

Ja, ich spiele schon die Sachen, die ich will. Aber ich spiele, wie schon gesagt, alles. Genauso die Hits, um die Leute abgehen zu lassen. Das macht mir auch Spaß.

Wenn wir hier in Leipzig einen UK-DJ zu Gast haben, dann haben wir meist anhand des Labels schon eine gewisse Erwartungshaltung, also ob es mehr experimentell und tricky wird. Wir kennen die DJ’s von ihren Produktionen, aber wenn sie hier sind, dann bringen sie dir die Hits und versuchen, die Leute zu rocken. Manchmal frage nicht nur ich mich, ob die nie andere Dinge hören, oder woran liegt das?

Ich denke, viele Leute in der heutigen Drum & Bass-Szene tun das wirklich nicht. Ich bin auch sehr überrascht über diese ganzen Old-School-Remixe und die Reaktion, wenn die Leute sie hören. Ich würde es nicht zulassen, dass sich die Leute an all diese Tracks erinnern. Aber wer weiß. Ich bin nicht in der Position, darüber zu urteilen.


Der folgende Wortwechsel enstand in einer sehr relaxten Stimmung und bezieht sich ausdrücklich nicht auf ein Zitat, indem Skunkrock von sich sagen, dass sie bereits ihre Spuren in der Drum & Bass-Geschichte hinterlassen haben. Es war vielmehr eine witzig gemeinte Anspielung in Richtung Alley Cat ;) und sollte keinen Disrespect Skunkrock gegenüber darstellen. Booga


Skunkrock-Productions sagen über sich selbst, dass sie Spuren in der Drum & Bass-Geschichte hinterlassen haben.

Skunkrock? Ja, die sagen das.

Alley Cat schreitet unbemerkt ein: "Paß auf was du sagst!" (Großes Gelächter)

Oh, Mist!!! (verzieht "ertappt" das Gesicht)


Ende der Szene


Was denkst du über Skunkrock und seine Entwicklung, mit welcher Intention bist du bei deiner Zusammenarbeit rangegangen.

Ich mag Skunkrock schon sehr. Ich kannte Mark, der das Label führt, schon seit einigen Jahren. Ich glaube sogar, dass ich Mark zum ersten Mal bei euch hier im Conne Island in Leipzig traf, vor etwa vier Jahren. Er ist schon immer eine sehr ehrliche und sorgfältige Person, und ich mag seine Art. Als er sein Label startete, war ich immer daran interessiert, wie es vorwärts geht. Und sie haben schon einige sehr gute Sachen rausgebracht, definitiv.

Ist es also sogar eine freundschaftliche Beziehung über das Business hinaus?

Ja, ich denke es ist beides.

Und was wird die Zukunft bringen für Skunkrock? Wird diese Major-RMX-Schiene, die man für den Eintritt in den englischen Markt benötigte, in den Hintergrund rücken?

Ich weiß es nicht. Ich denke ihre eigenen Tracks haben genug Substanz, dass diese Remixe nicht mehr vordergründig benötigt werden. Natürlich war es hilfreich, mit diesen Remixen Aufmerksamkeit auf das Label zu richten, aber es ist Zeit, den nächsten Schritt zu gehen.

Dein RMX hat mir trotzdem gut gefallen, er war sehr leicht und uplifting. Ich fand ich ihn sehr gelungen.

Danke, das höre ich gern.

Was sind deine nächsten Vorhaben in Bezug auf Certificate 18?

Ich bin noch dabei, mein Album "Fear of People" zu promoten. Ich gehe auf Tour, als nächstes bin ich zum Beispiel in Amerika. Danach in Österreich. Im nächsten Jahr finde ich hoffentlich ein paar Tage, um nach Australien zu gehen. Dann verhandeln wir noch über die nächsten Auskopplungen aus dem Album, über mögliche Kollaborationen, Remixe und solche Sachen halt. Über das Danach bin ich noch nicht so sicher. Ich werde wahrscheinlich mein eigenes Label starten, aber trotzdem auf Certificate 18 weiter veröffentlichen. Und ich will noch mehr die musikalischen Aspekte in meinen Produktionen hervorheben, nicht einfach nur Drum & Bass machen.

Wann wirst du dein Label starten?

Irgendwann nächstes Jahr. Dieses Jahr wird das sowieso nichts mehr. Ich kann aber kein genaues Datum sagen. Ich habe schon die Tracks für anstehende Veröffentlichungen, aber dieses ganze bürokratische und organisatorische Ding muss noch geklärt werden.

Ich danke dir für das Interview!

(c) Leipzig Breaks Organization 2000-2004