Leipzig Breaks Organization
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INTERVIEWS
2000/04 DJ Storm
geführt von Booga

2000/06 John B
geführt von Booga

2000/08 Rolex & Booga
mit freundlicher Genehmigung vom Klarofix Magazin

2000/11 Klute
geführt von Booga

2000/11 Kabuki
geführt von Zapotek

2001/01 Rob Playford
geführt von Booga

2001/11 DJ Storm
geführt von Booga, übersetzt von Sketch
Interview John B

John Bvor seinem set in der distillery am 2.6.2000 hatte ich die gelegenheit, mit John B ein interview zu führen. die stimmung war locker, obwohl er leicht übernächtigt war: "zu lange im studio gewesen, you know." das ist ihm locker abzunehmen, denn sein output in diesem jahr war bisher nicht gerade spärlich. nach seinem album "catalyst" folgten zwei auskopplungen auf beta-rec., die remix-version des albums "redox", sowie zwei weitere releases auf shoebox rec. dabei lotet er auf seine ganz spezielle art die tiefen des genres aus: von eher seichten gewässern, also den jazz und salsa geprägten tracks bis zu den stürmischen brandungen a la "hydrolysis". wobei ich immer noch auf einen anschlusstrack von "pressure" warte... mit auf der interviewcouch sass John B's tourmanager Knoppaz G aus Berlin, der mir dann auch bei einigen übersetzungsschwierigkeiten aushalf.

Booga: ist diese kleine drei-gig-tour durch deutschland eigentlich etwas besonderes für dich?

John B: ja es ist immer etwas besonderes hier aufzulegen, denn dj-ing an sich ist etwas sehr wichtiges für mich. klar, an erster stelle steht das produzieren, aber wenn ich auflege bekomme ich so heraus, wie die sounds unter verschiedenen umständen, also pa's ankommen und wie das publikum reagiert. da ist es natürlich auch wichtig in anderen ländern zu spielen: hier gibt es eine andere szene, andere geschmäcker und da ist es gut für mich, meine musik hier vorzstellen. ausserdem ist es schön auch die städte zu sehen, schliesslich war ich noch in keiner dieser städte in deutschland.

hast du schon unterschiede hinsichtlich der publikumsreaktionen zwischen england und deutschland mitbekommen können?

nicht wirklich. ich meine sie tanzen und machen "huu huu" und fordern rewinds ein - das läuft in england ganz genauso. allerdings denke ich, dass die leute hier etwas enthusiastischer sind als beispielsweise in einem londoner club. da hast du drei tage der woche mit vier, fünf wirklich guten uk-dj's am start. hier hast du vielleicht eine gute drum & bass party im monat, denke ich - also ich weiss es nicht genau, aber die leute machen einen glücklicheren eindruck, wenn jemand wie ich hierher komme. es ist schön so geschätzt zu werden. (lacht)

liegt das auch daran, dass die tracks in london alle schon bekannter sind, durch radiosendungen oder die häufigen veranstaltungen dort?

das ist nicht unbedingt wahr, denn wir haben in den londoner clubs auch eine menge touristen. klar gibt es leute die da regelmässig hingehen, ihren spass haben und teil der szene sind. aber da gibt es eine grosse fluktuation zwischen den clubs und ihren stilen, sodass sie dann wieder "neu" damit konfrontiert werden. ich denke sogar, in anderen ländern kennt sich das publikum mit den tracks und den platten besser aus, weil die szene kleiner ist und es schwieriger ist, das alles am laufen zu halten. also weiss man sehr genau wer was gerade rausbringt und mit wem und warum und auf welchem label...

du sprachst vorhin davon, wie wichtig dir das platten auflegen ist ...

Leipzig Massive
es ist wirklich sehr wichtig für mich. als ich anfing zu produzieren, hatte ich nicht daran gedacht dj zu werden. das war nicht unbedingt das was ich machen wollte, ich war vielmehr daran interessiert musik zu kreiren, barrieren zu durchbrechen, neue dinge an den start zu bringen und neue klänge zu entwickeln - das versuche ich ja immer noch. aber dj-ing wurde zu einem wichtigen teil genau davon. es hilft mir, bessere platten zu produzieren. als dj verstehst du die struktur eines tracks ziemlich deutlich und worauf es ankommt - gerade um einen track in einen anderen reinzumixen oder wie die klangliche balance zu den anderen stücken ist. dann hörst du wie sich der track auf unterschiedlich grossen anlagen macht. denn wenn du den track zu hause machst und den auf eine cd brennst, dann klingt es auf deiner anlage wirklich sehr gut. aber im club kann es ganz anders sein. da musst du die dinge vielleicht einfacher halten und sauberer. ich meine, auf einem album kannst du dann wieder andere sachen voran bringen. das hat mir wirklich die augen geöffnet und mir geholfen, meine sounds zu entwickeln.

lässt du dich von anderen dj's beeinflussen oder hast du vorbilder?

well, ich mag die meisten uk-dj's, sie repräsentieren verschiedene stile und spielen unterschiedliche musik. natürlich ist Grooverider der mann vom ersten tag an und er ist sehr gut. aber mein favorit zur zeit ist Fabio. er spielt eine menge interessantes zeug aus der jazzigen ecke mit vocals. es ist zwar immer noch harter drum & bass dancefloor stuff, aber es gefällt mir am besten. jeder der guten dj's da draussen verdient meinen respekt. vor allem habe ich DJ SS viel zu verdanken, er hat meine erste platte rausgebracht und mein erstes album "visions" auf new identity rec., "pressure" auf formation rec. also er ist wirklich ein grossartiger typ.

Boymerang sagte einmal: "obwohl ich nicht in der drum & bass szene aufwuchs, haben sie mir respekt erwiesen und mich nicht wie einen aussenseiter behandelt. es ist, als ob man ein haus zusammenbaut: manche bauen fenster ein und andere, wie Dillinja, erschaffen eine ganze etage."
was sagst du zu dieser metapher und wie würdest du deine entwicklung in der szene beschreiben?

oh Boymerang, ich kenne ihn, er ist ein sehr vernünftiger mensch und zwar eingermassen alt, aber er macht sehr gute platten. irgendwie schade, dass er nicht so richtig da ist. obwohl ich stark befürchte, dass er an neuen tracks arbeitet und uns alle wegfegen wird. aber ja, an sich ist das eine gute beschreibung. drum & bass ist da sehr offen. als ich anfing waren die dj's und die anderen produzenten sehr nett und ermutigend zu mir. DJ SS hat mir zum ersten release verholfen und mich vielen wichtigen leuten vorgestellt. als ich zum ersten mal Grooverider begegnet bin gab er mir gleich seine nummer... ich hatte nie irgendwelche feindschaften, im gegenteil: alle unterstützen dich und alle sind vereint unter dem banner drum & bass um die musik weiter voranzutreiben und sie mehr menschen zugänglich zu machen. es ist keine selbstsüchtige szene, die obendrein von grossen firmen am laufen gehalten wird. diese szene ist eher in der lage, ihren freien willen zu bestimmen - ohne von den majors unter druck gesetzt zu werden. und das ist sehr gut. was boymerang sagte ist wirklich vernünftig. jeder kann schliesslich anpacken und helfen eine wunderschönes neues ding zu erschaffen. vielleicht nicht nur ein haus, sondern eine ganze stadt (lacht) ...

ich habe dieses zitat aus dem deutschen magazine de:bug und ...

ja ich denke dass ist sehr gut, so wie ein baum oder ein wald. dann sind die baumwurzeln dancemusic oder so. da hast du grosse äste wie acid house oder drum & bass und alles verzweigt sich immer wieder, alles wächst in der gleichen geschwindigkeit. alles wächst in verschiedene richtungen und manchmal überkreuzen sie sich. so wie früher hardcore entstanden ist, so gibt es jetzt eine neue entwicklung im drum & bass, wo die alten einflüsse von hardcore wieder spürbar werden. so sehe ich das im moment. ähem, aber ich bin kein hippie! (alle lachen) ich meine, hippies sind nett, aber ich bin keiner!

Knoppaz G & John Bdeine veröffentlichten tracks umfassen eine menge stilrichtungen im drum & bass: von trockenen elektroiden tunes ("sunburst"), dunklen bösen breakorgien wie "undertow" über den locker-flockigen jazz sachen bis zu den rave hymnen, wie dem unvergessenem "the pressure" oder dem aktuellen "we like the music". sahst du dich nie der gefahr ausgeliefert, auf irgendeiner schiene hängen zu bleiben?

nein nein! die einbindung der verschiedensten einflüsse und stile im drum & bass hat mich ja erst zum produzieren gebracht. du kannst letztlich alles im drum & bass machen, solange es die breaks hat und den bass. wenn der track gut ist, wird er auch gespielt werden. anfänglich startete ich eher mit der jazzigen seite des d&b, und obwohl die ersten veröffentlichungen dann eher hart waren, habe ich beim produzieren mit der jazzigen variante angefangen. das mag ich auch am liebsten, aber manchmal ist man halt in der stimmung und du bringst das ding dann richtig hart. ich würde mich auch selber langweilen, ewig die gleiche platte zu machen. ich denke, das ist schlecht für die szene und auch schlecht für deine producerkarriere wenn du nur auf einem style rumreitest.

wie bist du zu dieser einstellung gekommen?

vielleicht, also ich habe musik schon immer gemocht, ganz generell und egal welche richtung. ich schätze das hat dabei geholfen. dabei bin ich nicht nur bei reggae oder jazz draufgekommen. meine eltern hören selbst sehr viel verschiedene musik und mein vater hat eine sehr grosse plattensammlung, also ist es so gekommen. und ich bin froh, dass es so ist. "i don't like do-not-like-things", weisst du? zum beispiel haben wir auf dem weg von kiel nach berlin so ein klassik-fm sender gehört ...

was sind deine drei wichtigsten empfehlungen für jemanden der drum & bass tracks produzieren möchte?

gib dir richtig mühe. versuche etwas neues zu machen. gehe sehr sorgsam mit deiner produktion um. überlege dir die dinge bevor du sie machst. ähem ... (lacht verlegen)

also ich frage das, weil in der atmosphere #50 eine kolumne über das produzieren erschienen ist. geschrieben von moving fusion glaube ich. und sie erwähnten da einige skills wie: suche die samples sehr sorgfältig aus bevor du ins studio gehst, sei schnell in der arbeitsweise um ideen zu behalten, mache deinen beat crisp und so weiter. und da habe ich mich gefragt, ob diese art von tips wirklich ein weg sein kann, jemandem beim produzieren zu helfen.

also die art und weise wie ich das mache, ist zunächst mal auf die klänge grösste aufmerksamkeit zu richten. bevor ich den track arrangiere, setze ich mich hin und sammle die sounds, mit der eigentlichen idee im kopf und vielleicht einem gewissen groove, einem beat oder so, um anzufangen. gerade bei den jazzigen und live sachen suche ich lange nach den richtigen samples. sind die dann erstmal im topf, ist es sehr einfach den track zu machen - wenn du eine idee vorher hattest, wo du eigentlich hin wolltest. also die qualität der samples ist enorm wichtig. ich kaufe mir selber eine menge sample-cd's und benutze wenn es geht live-musiker. erst kürzlich habe ich mein studio grundsätzlich überholt und habe jetzt ein wirklich sehr gutes mikrofon, einen grossen apple macintosh computer G4 -

klasse!

ja, vorher hatte ich einen atari st und habe damit alles programmiert. doch jetzt habe ich vielmehr möglichkeiten, gerade was die audiobearbeitung und das hd-recording betrifft. jetzt weiss, dass ich alles realisieren kann, was ich machen will. vorher war das weit schwieriger. jetzt geht's wirklich gut ab. das "strange" daran ist: ich gehe ins studio, setze mich vor den computer und weiss, ich kann jeden sound machen - welchen soll ich heute machen, oh shit!? das ist "strange for my brain".

ja wenn die möglichkeiten begrenzter sind, dann kennt man sich mit jedem detail aus und die grenzen sind immer spürbar...

ja und jetzt sind die grenzen so "fucking" weit weg (lacht).

kennst du dich eigentlich ein bisschen aus mit deutschen drum & bass?

naja, eigentlich nicht. ich habe von einigen namen gehört, aber ich bevorzuge englischen...

gibt es für dich wesentliche klangliche unterschiede im englischen und deutschen drum & bass?

also alles was ich bisher gehört habe, waren sachen von Panacea vor einem jahr oder so. damit will ich mich nicht herumplagen, das ist zu hart und zu krachig für mich. daran bin ich nicht interessiert.

ja, mir fehlt da auch soul.

gut! "we need soul!" auch im drum & bass. sicher gibt es einige gute deutsche produzenten und ich hoffe sie arbeiten hart und so, aber der Panacea-sound langweilt mich. nicht gerade innovativ. obwohl es möglicherweise eine menge fans davon geben wird.

das deutsche label skunkrock production hat und wird remixe von bekannten englischen produzenten wie Konflikt und Klute herausbringen ...

Klute? ist der aus england? ich dachte der ist von woanders her?

er lebt zur zeit in london.

aber ich bin mir sicher, er kommt von woanders her. von norwegen oder so.

ah nein, er releast tracks auf dem label certificate 18 rec., da gibt's auch acts aus norwegen, wie Teebee ...

ohja ich kenne Teebee, er ist ein cooler typ. aber Klute, der kommt auch nicht aus schottland oder irland, egal ... (lacht)
also ich habe von skunkrock jedenfalls gehört.

was denkst du, ist diese remix-politik ein guter weg, den fuss in die tür zu bekommen und aufmerksamkeit in dem land zu erregen, wo drum & bass herkommt?

John Bich denke prinzipiell, dass es eine gute sache für ein junges label ist, gerade wenn es aus einem anderen land kommt, remixe von uk-künstlern machen zu lassen. ansonsten sollten sie machen, was ihnen gefällt und was SIE hören wollen, weisst du. remixe sind sicher hilfreich, um uk-dj's und produzenten zu erreichen. aber letztlich ist es besser, wenn die ursprünglichen sachen des labels bekannt werden. was sie selbst erschaffen haben. klar ist es günstig, kontakte nach england zu haben, aber das ist sicher nicht die notwendige voraussetzung, um erfolgreich zu sein.

wie siehst du die sache: welchen weg wird in zukunft drum & bass einschlagen - den experimentellen oder den rock & rave weg?

haha! ich hoffe es wird mehr experimenteller, aber nicht im sinne von "noodly-mad-stuff". ich meine experimentell im sinne von konsequenten weiterentwicklungen individueller stile und ideen. momentan gibt es eine menge langweiligen drum & bass für mich. das regt mich auf, denn ich liebe drum & bass. ich weiss dass es produzenten geben wird, die ihre neuen sachen zu tage fördern und daneben wird es immer tonnen von "normalen" veröffentlichungen geben. ravig-normal.

hast du selber einen lieblingsproduzenten? ausser dir, meine ich. (lachen)

well, Digital hat ein paar gute platten gemacht.. ich mag Calibre aus irland, der macht sehr schöne sachen. du hast sicher noch nichts von ihm gehört, aber der wird mal was auf creative source rec. machen. das ist interessant für mich.

danke für das interview!

(c) Leipzig Breaks Organization 2000-2004